14. Februar 2019
Meine ersten zwei Jahre mit Bitcoin: Und jetzt?
Vor rund zwei Jahren habe ich zum ersten Mal Bitcoin gekauft. Mein Interesse an neuen und zukunftsversprechenden Technologien war für mich der ausschlaggebende Grund Kryptowährungen zu erwerben. Denn nur wer Erfahrungen mit neuen Technologien sammelt, kann sie auch besser verstehen. Zeit für ein Zwischenfazit.
Es war im Februar 2017: Im Zürcher Museum for Digital Art fand ein interessanter Abend der Veranstaltungsreihe «Digital Shift» zum Thema «Vertrauen und Blockchain Contracts» statt. Dabei war Bitcoin das grosse Thema. Jonas Schnelli, mein ehemaliger Bürokollege, der heute als Bitcoin Core-Developer massgeblich an der Entwicklung der Kryptowährung beteiligt ist, war einer der Redner an diesem Event. Er verkaufte mir in der Folge etwas Bitcoin. Im Verlaufe des Jahres 2017 habe ich dann mein Bitcoin Guthaben aufgestockt und auch weitere Kryptowährungen wie Ethereum, Litecoin und Dash gekauft und dann auch wieder etwas davon verkauft. Nach zwei Jahren frage ich mich: Was ist Bitcoin wirklich und was nützt es mir?
Ein Zahlungsmittel?
Als Zahlungsmittel habe ich Bitcoin nie benutzt. So sind Online-Shops, die Bitcoin akzeptieren, faktisch inexistent. Ebenso fand ich im Alltag keine Läden, Restaurants, etc, die Bitcoin-Zahlungen akzeptiert hätten. Das ist auch nicht weiter erstaunlich, da es mehrere Minuten dauert, bis eine Zahlung bestätigt ist. Zudem sind die Netzwerkgebühren bei kleineren Zahlungen hoch (ca. 5 Rappen bei einer Zahlung von 5 Franken und somit identisch wie bei 50 Franken).
Trotz meiner Ankündigung im Juli 2017 und einem Hinweis auf meinen Rechnungen, dass ich auch Zahlungen mit Kryptowährungen akzeptiere, hat kein einziger Kunde meine Dienstleistungen mit Bitcoin & Co bezahlt.
Und so waren für normale Zahlungen die guten alten Banküberweisungen nach wie vor die erste Wahl. Und für kleine Zahlungen zwischen Freunden (z.B. für's Teilen einer Rechnung im Restaurant) funktionieren das viel gescholtene Twint und das viel gelobte Revolut hervorragend.
Ein Wertspeicher?
Die ersten Bitcoin-Transaktionen machte ich bei einem Preis von rund 1000 US$/BTC. Am 17. Dezember 2017 erreichte der Kurs unglaubliche 20’0042 US$/BTC (ja, genau dann hätte man seine Anteile verkaufen sollen…). Heute dümpelt der Kurs bei 3’600 US$/BTC.
Das oft als «digitale Gold» bezeichnete Bitcoin taugt somit nicht als Geldaufbewahrungsmittel. Zum Vergleich: Bitcoin verlor 2018 73% an Wert – der Goldpreis veränderte sich 2018 kaum: -1.57%.
Die immensen Kursschwankungen sind letztlich abschreckend und nur für Gambler und Spekulanten interessant. Da ich früh genug eingestiegen bin, habe ich im Gegensatz zu sehr vielen anderen bis heute zum Glück kein Geld verloren – aber auch nicht gross vorwärts gemacht.
Vertrauensvoller als Banken?
Oft wird hervorgehoben, dass durch die Dezentralität des Bitcoin-Netwerkes die Vertrauensfrage nicht gestellt werden müsse. Aber so einfach ist das nicht: Beim Kauf von Bitcoin muss der Verkaufsplattform vertraut werden (z.B. BitcoinSuisse und Bitpanda), man muss dem Hersteller der Software-Wallet (z.B. BRD und Jaxx) vertrauen und natürlich auch den völlig unbekannten Minern, die das Netzwerk betreiben. Und so paradox es tönt: Meine Wiederherstellungsschlüssel für die Wallets lagere ich nicht unter dem Kopfkissen sondern im Safe einer traditionellen Bank.
Ungelöst: Die Schlüssel
Wer Bitcoin besitzt, ist vollumfänglich selbst verantwortlich für sein Guthaben: Wer sein Handy mit der Wallet-App oder seine Hardware-Wallet verliert und nicht über Backup-Codes verfügt, verliert sein Geld komplett. Für Nerds, die sich nicht in die Abhängigkeit von Dritten (z.B. Banken) begeben möchten, mag dies attraktiv sein, für alle anderen oft zu viel des Guten.
Die Alternative sind Plattformen, über die man Kryptowährungen handeln und auch aufbewahren kann: Nur wurden in der Vergangenheit einige gehackt mit teils drastischen Verlusten für die Kunden.
Der unangenehme Nebengeschmack: Der Energieverbrauch
Es war in den letzten Monaten immer wieder davon zu lesen, wie schlecht die Umweltbilanz von Bitcoin ist. Die Zahlen von Digiconomist sind eindrücklich: So benötigt Bitcoin jährlich ähnlich viel Energie wie Länder wie Singapur oder Portugal. Eine einzige Bitcoin Transaktion verbraucht gleich viel Strom wie ein Einpersonenhaushalt monatlich.
Diese katastrophale Bilanz lässt sich durch nichts schönreden: So wird von Krypto-Enthusiasten oft darauf verwiesen, dass auch die traditionellen Banken und die Kreditkarten-Netzwerke, die durch Bitcoin ersetzt werden sollen, Unmengen an Strom verbrauchen. Nur: Diese werden durch ungleich viel mehr Personen genutzt. Laut Digiconomist benötigt eine einzige Bitcoin-Transaktion 411 kWh, während für 100’000 VISA Transaktionen gerade mal 151 kWh benötigt werden.
Diese Umwelt-Thematik scheint langsam auch in der Kryptowelt anzukommen: So möchte Ethereum den Energieverbrauch um 99% senken. Ob das nur ein PR-Stunt war oder ob dies tatsächlich im Bereich des Möglichen liegt, kann ich nicht beurteilen.
Viel in wenigen Händen
Die Vermögensverteilung ist bei Bitcoin alles andere als egalitär: So gehören laut BitInfoCharts 35% der gesamten Bitcoin, die im Umlauf sind nur 1’000 Personen (oder Wallets), bzw. 15.85% den Top 100. Es sind also sehr wenige, die sehr viel besitzen. Diese verfügen über eine erhebliche Marktmacht, um den Kurs zu manipulieren: Wenn einer der grossen Fische aus Bitcoin aussteigen würde, müsste mit einem Kurssturz gerechnet werden.
Und jetzt?
Auch wenn der Nutzen für mich derzeit sehr gering ist, halte ich Kryptowährungen und vor allem auch die Blockchain-Technologie nach wie vor für interessant. Ob Bitcoin sich durchsetzen wird oder ob er wie viele andere Tech-Pioniere von Nachahmern überholt wird, steht noch in den Sternen. Ich werde die Kryptowelt weiterhin beobachten und bleibe vorerst bei Bitcoin und auch Ethereum dabei.